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16.8.8.8.8.)
SKU:
BR.PB-5420
Composed
by Helmut Lachenmann.
Softbound.
Partitur-Bibliothek
(Score Library). Music
post-1945; New music
(post-2000). Study Score.
Composed 1997-1999/2003.
Duration 38'. Breitkopf
and Haertel #PB 5420.
Published by Breitkopf
and Haertel (BR.PB-5420).
ISBN 9790004211830. 9
x 12
inches.
Vielleicht
so etwas wie ein
,,Parergon zu meiner
Madchen-Oper Zwei
Klangquellen - unter
ambivalenten Aspekten
zugleich homogen und
heterogen, nicht so ohne
weiteres zusammenpassend:
- Posaune und
Flote/Bassflote - (mit
Resonanzen aus zwei
Konzertflugeln), 8
Mannerstimmen - alle
erzeugen Tone, und Luft,
Zweiklange, Vibrationen,
Schwebungen, Rattern,
Konsonanzen. Und rattern
und sprechen - und
japsen, Orchester mit 4
Oboen, 3 Floten, 3
Klarinetten, zwei
Kontrafagotten
(unterbeschaftigt), 4
Horner, drei Trompeten,
keinen Posaunen, 2 Tuben,
die in der Tiefe rappeln,
zwei Klavieren,
Gitarre-Harfe, Streicher
(,,Perforateure), 3
Schlagzeuger, rappeln
(Fellwirbel), - und
schwingen China-Becken
durch die Luft, dampfen
aus und vorzeitig ab
(,,japsen) und: halten
aus. Musik zum Aushalten,
ist nicht zum Aushalten.
Ein Orchester mit vielen
Unisono-Quellen Es ist
immer wieder auf andere
Weise - jedes Mal das
gleiche: Musik, nicht als
Text, nicht als
diskursiver Verlauf, gar
als klingendes Drama, -
eher eine Art kunstliches
und als Produkt einer
komplexen Spekulation
zugleich transzendentes
Natur-Schauspiel, als
,,reine Prasenz - (Das
sind allerdings
Wort-Hulsen, die schlecht
an das erinnern, was sie
nicht mehr zu nennen, zu
fassen wagen bzw.
imstande sind. Begriffe,
die es abzurufen und
zugleich im Blick auf die
Sache selbst
auszustreichen gilt.):
Sie zu beschworen, ohne
dabei in schlecht
besinnliche ,,meditative
Idyllen, bzw. idyllische
Standards zu verfallen,
gehort zu meinen
zentralen Utopien - Ihre
Wunschbarkeit/Stringenz/e
xistentielle
Notwendigkeit, ,,Wahrheit
ist hienieden nicht zu
trennen von ihrer
Unmoglichkeit, wegen der
Standardisiertheit aller
Mittel, auf der ihre
Verwirklichung, ihre
Anpeilung, ihre
Ins-Werk-Setzung
verwiesen ist. Aber:
alles soll/wird in dieser
wie auch immer
vermittelten Prasenz
beruhrt, erlost, befreit
sein. Kann man
Erfahrungen, deren
Unmoglichkeit, deren
Verschuttetheit man sich
bewusst macht, vermitteln
durch den Kampf gegen
diese Unmoglichkeiten,
Verschuttetheiten (=
Unfreiheiten)??? Wer bin
ich? Was ist das: das
ich, das solche Suche,
solches Abenteuer,
solchen Kampf gegen die
Materie auf sich nimmt??
Das ,,Ich ist kein Ding,
sondern ein Ort (Kitaro
Nishida - aber ich bin
kein Buddhist, und auch
kein Zen-Monch, sondern
ein Anfanger in allem,
auch im Komponieren des
jeweilig konzipierten
Stucks.) Das Wasser
wascht das Wasser nicht -
das Feuer verbrennt das
Feuer nicht - der Schmerz
selbst tut nicht weh. Der
Genuss geniesst nicht.
Das Horen hort nicht, das
Leben lebt nicht - und so
lebt es. Das Ich ist
nicht das ich. Musik ist
nicht Musik, ist
Nicht-Musik: die einzige
Musik, die den Namen in
seiner emphatischen
Bedeutung verdient. Musik
sei Nicht Musik??
Sondern?? Ja - sondern.
Komponieren heisst:
sondern. Utopien
kompositorisch zu
beschworen, bedeutete fur
meinen Mechanismus stets:
ihre Verschuttetheit. Und
das was - nicht zufallig
- sie verschuttet hat.
Oder zu verschutten
droht, in den Griff zu
nehmen.Helmut Lachenmann
(Skizze)Mitten in meiner
Oper Das Madchen mit den
Schwefelholzern - nach
Hans Christian Andersen
-, die im winterlichen
eiskalten Kopenhagen
spielt, gibt es einen
Sprung in die mediterrane
Vulkanlandschaft
Suditaliens, wo - nach
einem Text von Leonardo
Da Vinci - ,,die
Schwefelfeuer den grossen
Berg offnen, um Steine
und Erde samt den
heraustretenden und
herausgespieenen Flammen
durch die Luft zu
schleudern, und im
Ausbruch ,,jedes
Hindernis verjagen, das
sich ihrem ungestumen
Wuten entgegenstellt.
Leonardo sieht in diesem
Naturvorgang eine
Metapher fur die Unruhe
des menschlichen Herzens
bei der Suche nach
Erkenntnis. Er beschreibt
eine Wanderung durch die
schattigen Klippen
hindurch bis vor den
Eingang einer grossen
Hohle, vor welcher der
Erzahlende ,,im Gefuhl
der Unwissenheit eine
Zeitlang verharrt: ,,Ich
hockte mit gekrummtem
Rucken, die mude Hand
aufs Knie gestutzt,
beschattete ich mit der
Rechten die gesenkten und
geschlossenen Wimpern: -
und n u n -, da ich mich
mehrmals hin und her
beugte, um in die Hohle
hineinzublicken, verbot
mir das die grosse
Dunkelheit, die darin
herrschte. Als ich aber
eine Zeitlang verharrt
hatte, erwachten in mir
zwei Gefuhle: Furcht und
Verlangen - Furcht vor
der drohenden Dunkelheit
der Hohle, Verlangen
aber, mit eigenen Augen
zu sehen, was an
Wunderbarem darin sein
mochte. Diesem ,,n u n
ist meine Komposition
gewidmet: Sie - ahnlich
wie auf andere Weise mein
Klavierkonzert Ausklang -
ist sozusagen ,,meine
Alpensymphonie. Anders
als bei Strauss
allerdings beschwort sie
Energien und Eruptionen
in einer Klanglandschaft
weitab von jeglicher
musiksprachlichen
Geborgenheit. Wahrend im
Strauss'schen Meisterwerk
der Wanderer aus
stimmungsvollem
b-moll-Morgennebel
aufbricht - allerdings
erst den in A-Dur
strahlenden Sonnenaufgang
abwartet ... - und in
frohlichem Es-Dur
lossturmend auf tonal
gesicherten Wegen zum
majestatischen
C-dur-Gipfel glucklich
hinaufgelangt - den er
allerdings bei
hereinbrechendem Unwetter
eilends verlasst, um ins
schutzende Tal
hinabzufluchten -,
verharrt der Wanderer
Leonardos in NUN in
unwirtlicher Hohe vor
jener Furcht und
Verlangen erregenden
Hohle. Meine Musik,
sozusagen als brodelnder
Krater beginnend,
verwandelt sich in eine
Sequenz von Rufen, deren
Widerhall die ,,drohende
Finsternis zu
durchdringen und
auszuloten versucht, und
sie mundet - auf dem
Umweg uber eine Art
,,Tanz auf dem Vulkan der
beiden Solo-Instrumente -
in eine instrumental
paraphrasierte
Sprech-Landschaft, als ob
das Zischen und Fauchen,
nichts weiter wiedergabe
als die erweiterten
Konsonanten eines
gesprochenen imaginaren
Textes. Dieser
schliesslich - als
Botschaft des im
Ungeborgenen nach
Erkenntnis Suchenden -
konkretisiert sich zu
jenem abgrundigen Satz
des japanischen
Philosophen und Grunders
der ,,Kyoto-Schule,
Kitaro Nishida: ,,Das Ich
ist kein Ding, sondern
ein Ort. Die Beziehung
meines Werks zur
Strauss'schen
Alpensymphonie - der
Komponist wollte sie
ursprunglich nennen ,,der
Antichrist - ist in ihrer
antipodischen
Gegensatzlichkeit
evident. Es ist eine
machtvolle, letztlich
aber gutige, dem Menschen
zugewandte, idyllische
Natur, die bei Strauss
beschworen wird, und den
nachtlich in die
hausliche Behaglichkeit
Heimkehrenden erfullt
Ehrfurcht und
Dankbarkeit: es ist ein
,,glaubiger Antichrist,
und die Pastorale
Beethovens lasst grussen.
Wie alles von Strauss war
es ein - s e i n -
letzter (oder vorletzter
...) Blick auf ein
zerfallendes Paradies
(1915 geschrieben ...).
Heute ist vielleicht
jedes Werk, welches sich
den innovativen Anspruch
von musikalischer
Tradition zu Eigen
gemacht hat und im 21.
Jahrhundert den
Musikbegriff jenseits
tonaler
Sprachvertrautheit in
ungesichertem
Klang-Terrain neu zu
bestimmen sucht - eine
Art Bergbesteigung in
weglosem Gelande, und
wenn schon nicht eine
,,Alpensymphonie, so doch
eine Gratwanderung:
abenteuerlich -
verlockend - nicht
ungefahrlich: ,,non hay
caminos .... Helmut
Lachenmann (Februar
2003)CDs: Gaby Pas-Van
Riet (flute), Michael
Svoboda (trombone), Neue
Vocalsolisten Stuttgart,
WDR Sinfonieorchester
Koln, cond. Jonathan Nott
CD KAIROS
0012142KAIDietmar Wiesner
(flute), Uwe Dierksen
(trombone), SCHOLA
Heidelberg, Ensemble
Modern Orchestra, cond.
Markus
StenzEMCD-004Bibliography
:Hidalgo, Manuel: Mozart
in Lachenmann, in: auf
(-) und zuhoren. 14
essayistische Reflexionen
uber die Musik und die
Person Helmut
Lachenmanns, hrsg. von
Hans-Peter Jahn, Hofheim:
Wolke 2005, pp.
35-46.Hiekel, Jorn Peter:
Interkulturalitat als
existentielle Erfahrung.
Asiatische Perspektiven
in Helmut Lachenmanns
Asthetik, in:
Nachgedachte Musik.
Studien zum Werk von
Helmut Lachenmann, hrsg.
von Jorn Peter Hiekel und
Siegfried Mauser,
Saarbrucken: Pfau 2005,
pp. 62-84.Kaltenecker,
Martin: Was nun? Die
Musik Helmut Lachenmanns
als Beispiel, in: Der
Atem des Wanderers. Der
Komponist Helmut
Lachenmann, hrsg. von
Hans-Klaus Jungheinrich,
Mainz: Schott 2006, pp.
113-128.Maier, Birgit;
Britz, Vanessa; Arnold,
Miriam: Helmut
Lachenmann: NUN, in:
Flote aktuell (2003),
Heft 4, pp. 20-24.Pas-Van
Riet, Gaby: On NUN, in:
Helmut Lachenmann Inward
Beauty, hrsg. von Dan
Albertson, Contemporary
Music Review 23 (2004),
Heft 3/4, p.
165f.Svoboda, Mike: NUN
An Inside View, in:
Helmut Lachenmann Inward
Beauty, hrsg. von Dan
Albertson, Contemporary
Music Review 23 (2004),
Heft 3/4, pp.
161-164.Wellmer,
Albrecht: Helmut
Lachenmann: Die Befreiung
des Klangs in der
konstruktivistischen
Tradition der
europaischen Moderne, in:
ders., Versuch uber Musik
und Sprache, Munchen:
Hanser 2009, pp.
270-299.Utz, Christian:
Paradoxien musikalischer
Temporalitat. Die
Konstruktion von
Klanggegenwart im
Spatwerk Bernd Alois
Zimmermanns im Kontext
der Prasenzasthetik bei
Giacinto Scelsi, Gyorgy
Ligeti, Morton Feldman
und Helmut Lachenmann,
in: Die Musikforschung 68
(2015), pp.
22-52.
World
premiere: Cologne (Musik
der Zeit), October 20,
1999 World premiere of
the revised version:
Berlin, Konzerthaus,
January 17, 2003.